Distributed Cognition

von Patrick Durrer

    Das Wichtigste in Kürze

  • Der Distributed Cognition Ansatz
    Der Distributed Cognition Ansatz untersucht die Verteilung von Denkprozessen auf involvierte Gegenstände und Personen.
  • Stolpersteine aus dem Weg räumen
    Mit diesem Ansatz räumen wir dem Nutzer Hindernisse für sein eigentliches Ziel (kaufen, anmelden, informieren) aus dem Weg.
  • Fragen, fragen, fragen
    Mit ein paar zentralen Leitfragen können wir unsere Website auf Verbesserungspotenzial in diesem Bereich überprüfen.

UI ‒ Dein Freund und Helfer mit Distributed Cognition

Wenn die Fähigkeiten und das Wissen von Computern und Menschen verschmelzen, klingt das nach Cyborgs und Science Fiction. Dabei haben Forscher bereits in den 80er Jahren herausgefunden, dass Denkprozesse intuitiv auf verschiedene Gegenstände und Menschen aufgeteilt werden ‒ geboren war der Distributed Cognition Ansatz.

So hilft uns ein Post-It beim Drandenken oder eine Grafik bei der Analyse einer Problemstellung. Diese Fähigkeit des Menschen können wir uns auch bei der Entwicklung von User Interfaces zunutze machen, indem wir Denkprozesse dem Users gezielt abnehmen oder vereinfachen.

Was ist der Distributed Cognition Ansatz?

Der Distributed Cognition Ansatz wurde von der Forschungsgruppe um Edwin Hutchins an der University of California in San Diego in den 80er Jahren entwickelt. Der Grundsatz dabei lautet: Das nötige Wissen (Cognition) für die Bewältigung einer Aufgabe muss nicht einfach in einer einzelnen Person schlummern, sondern kann auch auf mehrere im Prozess involvierte Personen oder Gegenstände verteilt werden (Distributing).

Ein Beispiel dazu: Das Ziel des Spiels «Tetris» ist es, die herabfallenden Formen so zu platzieren, dass eine Reihe komplett ausgefüllt wird. Ist eine Reihe voll, verschwindet diese und der Spieler erhält Punkte. Der Spieler kann die Formen horizontal mit Pfeiltasten positionieren oder mit einem Knopf im Uhrzeigersinn drehen.

Tetris
Desto geübter der Spieler, desto mehr langert dieser Denkprozesse aus.

Nun könnte man meinen, dass ein geübter Spieler für die Positionierung der Formen kaum Bewegungen braucht, da er sich die Position und Drehung im Kopf vorstellen kann. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Je geübter der Spieler, desto mehr Varianten probiert dieser mit den Knöpfen und Pfeiltasten im Spiel aus. Der Grund dafür: Es ist für den Spieler einfacher, diese Denkprozesse an das Spiel auszulagern, als diese rein mit seiner Vorstellungskraft durchzuführen. Tadaaa… und das ist dann Distributed Cognition.

Mit Distributed Cognition zur besseren User Experience

Und jetzt? Was für eine Bedeutung hat der Distributed Cognition Ansatz für Websites oder Webapplikationen? Ganz einfach: Wenn wir dem Anwender einige Denkprozesse abnehmen oder vereinfachen, kann sich dieser einfacher auf unserer Benutzeroberfläche bewegen und sich auf sein eigentliches Ziel konzentrieren (kaufen, informieren, kontaktieren). Ein gutes User Interface im Sinne der Distributed Cognition ist also der Freund und Helfer des Benutzers und unterstützt ihn dabei...

  • … herum zu pröbeln und mehrere Varianten auszuprobieren (Tetris).
  • … Interpretationen zu vereinfachen, indem Informationen auf den Punkt gebracht werden.
  • … komplexe Denkaufgaben zu vereinfachen.
  • … die Effizienz zu erhöhen.

Ist Deine Webapplikation ein Freund und Helfer?

Wahrscheinlich hast Du bereits einige Elemente des Distributed Cognition Ansatz intuitiv umgesetzt. Um Deine Website oder Deine Webapplikation auf weiteres Verbesserungspotential zu überprüfen, solltest Du Dir folgende Fragen stellen:

  • Welche Ziele möchte der Benutzer auf meiner Website oder Webapplikation erreichen?
  • Welche Informationen und Hilfsmittel muss ich dem Benutzer zur Verfügung stellen, damit er sein Ziel erreicht?
  • Wie interagiert der Benutzer mit den zur Verfügung gestellten Informationen und Hilfsmitteln?

Jetzt geht's ans Eingemachte: Ein reales Beispiel

Die meisten von uns waren bereits einmal auf der Suche nach einer neuen Wohnung. Dabei gibt es unzählige Suchportale. Bei den meisten findet man ein Suchfeld für den gewünschten Wohnort und eine Auswahl für den Umkreis, indem nach einer geeigneten Wohnung gesucht werden soll.

Suchformular ohne Distributed Cognition
Ein Suchformular, wie man es oft online antrifft.

Welche Ziele möchte der Benutzer auf meiner Website oder Webapplikation erreichen? Ich suche nach einer Wohnung, welche mit dem ÖV maximal 20 Minuten von meinem Arbeitsplatz in Luzern entfernt ist.

Welche Informationen und Hilfsmittel muss ich dem Benutzer zur Verfügung stellen, damit er sein Ziel erreicht?

Für eine entsprechende Suche benötige ich eine Filtermöglichkeit, um meinen gewünschten Zielort einzugeben und die maximale Entfernung mit dem gewünschten Verkehrsmittel ‒ also dem ÖV.

Wie interagiert der Benutzer mit den zur Verfügung gestellten Informationen und Hilfsmitteln? Da die gewünschte Filtermöglichkeit nicht vorhanden ist, muss ich mir mit den bestehenden Möglichkeiten selber überlegen, welcher Umkreis ungefähr der gewünschten ÖV-Distanz entspricht. Die angezeigten Resultate überprüfe ich anschliessend noch mit der Google-Routenplanung um sicherzustellen, dass der ÖV-Anschluss meinen Vorstellungen entspricht.

Und wie würde es besser gehen?

Das folgende Redesign der Suchmaske versucht gemäss dem Distributed Cognition Ansatz die vorhandenen komplexen Denkaufgaben zu vereinfachen und die Effizienz des Benutzers zu steigern. Als Benutzer kann ich nun direkt mein Suchkriterium erfassen und die Einträge auf der Plattform durchsuchen. Die Umrechnung der Fahrzeit in eine Umkreis-Distanz oder die Zweitprüfung durch den Routenplaner fallen komplett weg.

Suchformular mit Distributed Cognition
Das optimierte Suchformular

Ein Resumée

Je mehr Stolpersteine in Form von Denkaufgaben oder komplexen Interpretationen wir mit dem Distributed Cognition Ansatz für den User aus dem Weg räumen, desto effizienter und frustfreier erreicht dieser seine Ziele (Kaufabschluss, Informationsbeschaffung, Kontaktaufnahme, Support).

So lohnt sich das Engagement in eine bessere User Experience mittels Distributed Cognition Ansatz auch für Dich als Betreiber einer Website.

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